Geschichte

Hintergrund und Geschichte

Archäologen und historisch Interessierte waren immer der Meinung, dass die Gegend um Ribe in der Wikingerzeit eine entscheidende Rolle spielte. Dies musste nur noch beleuchtet und bewiesen werden. Die Ausgrabungen der vielen letzten Jahre, die hier auf dem Gelände von der Antiquarischen Sammlung (heute Teil der Südwestjütländischen Museen) vorgenommen wurden, haben diese Vermutungen vollständig bestätigt. Beinahe jedes Jahr werden neue aufregende Funde ausgegraben, und es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass Ribe einer der wichtigsten Orte für die Dokumentation von Handel, Handwerk und Landwirtschaft zur Zeit der Wikinger ist. So wurden z.B. anhand von Funden in Ribe neue Erkenntnisse veröffentlicht, denen zufolge auf der Scheibe gedrehte Keramik in Dänemark nachweislich 500 Jahre früher hergestellt wurde als zuvor angenommen. Nachdem man Reste von Hopfen gefunden hat, müssen wir möglicherweise auch unsere Vorstellung davon ändern, wann man in Dänemark anfing, Bier zu brauen.

Als natürliche Konsequenz der starken Verwurzelung in der Vergangenheit wurde 1992 das Ribe VikingeCenter eingerichtet. Bislang haben wir drei wichtige und handwerklich ausgezeichnet ausgeführte Wikingerszenarios aufgebaut: Den Marktplatz mit dazugehörigem Schiff, eine originalgetreue Nachbildung eines Platzes vom Beginn des 8. Jahrhunderts, ein großes Gehöft aus dem Jahr 980, bestehend aus einem Langhaus mit 5 dazugehörigen Gebäuden sowie ein Dorf mit 8 Häusern aus dem Jahr 825. Man kann so der Entwicklung die gesamte Wikingerzeit hindurch folgen und damit eine Perspektive auf eine wichtige Epoche in der Geschichte Dänemarks bekommen, die die meisten Dänen als sehr speziell für unsere Kultur betrachten.

Alle Rekonstruktionen sind in enger Zusammenarbeit mit der Antiquarischen Sammlung entstanden, welche die Ausgrabungen durchgeführt hat, die die Grundlage für die Rekonstruktionen bilden, und welche unseren Architekten und Handwerkern ihr Fachwissen zur Verfügung gestellt hat.

Vermittlung

Das Ziel des Ribe VikingeCenters ist es, die Wikingerzeit in Ribe in den rekonstruierten Szenarios wieder aufleben zu lassen und sie damit den Besuchern nahe zu bringen. Parallel zu dieser Vermittlungsarbeit werden mit den Mitteln der experimentellen Archäologie verschiedene Theorien entwickelt und ausprobiert. Wie sah das Zusammenleben unter den gegebenen physischen Verhältnissen und den damaligen Bedingungen aus?

Als Grundlage dienen die Grundsätze der Historischen Werkstätten zur Vermittlungsarbeit: Die Vermittlungsarbeit soll auf hohem fachlichen Niveau stattfinden, in die Tiefe gehen, auf lange Sicht konzipiert und an authentischen Rahmen orientiert sein. Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass wir den Aufbau und die Instandhaltung der Rekonstruktionen als Teil der Vermittlungsarbeit behandeln. Das bedeutet natürlich einen höheren Zeitaufwand, erzeugt aber eine Dynamik, die nicht vorhanden wäre, würde man einfach ein "fertiges" Center einweihen.

Im Ribe VikingeCenter können die Besucher ständig neu begonnene Projekte erleben, was ganz automatisch ihre Neugier anregt. Man bekommt Lust darauf, etwas über die neuen Dinge zu erfahren, die sich im Aufbau befinden - ein guter Anlass zu einem Gespräch mit den Handwerkern - und viele kommen später wieder, um die Resultate zu sehen. Auch die Bewahrung alter Handwerke ist in diesem Zusammenhang von hoher Bedeutung. In den lebendigen Szenarios gibt es die Möglichkeit, die Ausübung vieler traditioneller Handwerke zu sehen und Erfahrungen auszutauschen, die sonst vielleicht verloren gehen würden. Sätze wie: "So machte es mein Großvater!" - "Hatten die Wikinger wirklich so viel Können?" - "Könnte man nicht auch..." etc. sind im Center alltäglich und tragen dazu bei, den Besuch für das Publikum wie für die Mitarbeiter interessant zu machen.

Mitarbeiter

Das Ribe VikingeCenter ist ein komplexes und spannendes Unternehmen, auch was den Stab der Mitarbeiter betrifft. Wir arbeiten eng mit der Produktionsskole Lustrupholm zusammen. Dies bedeutet, dass das Jahr über ca. 30 Schüler von dort im Alter von 16 bis 25 Jahren ans Center angebunden sind. Die Schüler der Produktionsschule sind ein wichtiger, integrierter Teil der historischen Rekonstruktions- und der Vermittlungsarbeit. Unter anderem nehmen die Jugendlichen an der Herstellung der Wikingerkleider und an der Produktion und Instandhaltung der Gerätschaften für die Häuser teil, sie versorgen die vielen Tiere des Centers und helfen beim Betrieb der Küche und des Cafés. Im Sommer tragen die Schüler und Mitarbeiter die Hauptarbeit bei der Wiederbelebung der Wikingerzeit im Ribe VikingeCenter, sie arbeiten hier Seite an Seite mit ehrenamtlichen Handwerkern aus ganz Europa.

Das Ribe VikingeCenter hat einen außergewöhnlich kompetenten Mitarbeiterstab, der im Laufe der Jahre einen enormen Sachverstand auf den Gebieten des historischen Handwerks, der Rekonstruktionsarbeit und der Vermittlung erarbeitet hat. Die Zahl der Mitarbeiter im Wikingercenter und in der Produktionsschule beträgt im Winterhalbjahr ca. 20 und in der Sommersaison ca. 30. Ein Teil der Kollegen ist im Rahmen von sog. FlexJobs angestellt (staatl. geförderte Teilzeitjobs), und es gibt eine Zusammenarbeit mit der Stadt Esbjerg bzgl. der Ermittlung der Eignung von Mitarbeitern für diese Jobs.

Freiwillige Mitarbeiter

Mit dem Center sind viele verschiedene Gruppen von ehrenamtlichen Mitarbeitern verbunden. Es handelt sich um engagierte Erwachsene und Kinder mit Interesse an und Wissen über Handwerk und Technik der Wikingerzeit. Viele davon haben sich in Interessensgruppen organisiert, z.B. Schmiede, Bogenschützen und Reiter - andere sind als Einzelpersonen mit ihren jeweiligen Handwerkskenntnissen eingebunden. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter nehmen bei speziellen Gelegenheiten an der Vermittlungsarbeit teil, z.B. in ihren Ferien etc. Viele von ihnen haben Kurse bei den besten Handwerkern Dänemarks besucht, und das historische Wissen und die fachlichen Qualifikationen der Freiwilligen werden ständig auf dem neuesten Stand gehalten, so dass sie eine möglichst authentische Vermittlungsarbeit leisten können.

Neben den Wikingergruppen und Einzelpersonen, die direkt ans Ribe VikingeCenter angebunden sind, besuchen uns jedes Jahr ca. 300 Wikinger aus vielen Ländern der ganzen Welt, die meisten aber aus Dänemark, Deutschland und den Niederlanden - Menschen, die den größten Teil ihrer Freizeit darauf verwenden, die Wikingerzeit zu studieren, zu rekonstruieren und nachzuempfinden. Sie tragen positiv und aktiv zur Wiederbelebung der Vergangenheit im Center bei, und ebenso erhalten wir durch die Gastwikinger aus dem Ausland Einblick in Ähnlichkeiten und Unterschiede in Kleidung und Ausrüstung von Nordnorwegen bis Miklagard (Byzanz).

Fachliche Kooperationspartner

Das Ribe VikingeCenter arbeitet mit einer ganzen Reihe von Fachleuten und Institutionen aus Praxis und Theorie zusammen. Hierbei kann es um ganz konkrete Fragen gehen; oft findet die Zusammenarbeit aber in Form eines Dialogs statt, bei dem wir versuchen, unsere Ideen, die wir durch Experimente im Alltag entwickelt haben, in das theoretische Wissen der Forscher einfließen zu lassen, um ein besseres ganzheitliches Verständnis der Vergangenheit zu erreichen.Viele unserer Kooperationspartner arbeiten innerhalb staatlich anerkannter Museen oder sind in ihrem Handwerk auf einem Niveau anerkannt, das die Verwertung ihrer Erfahrungen und Kenntnisse in der musealen Vermittlungsarbeit ermöglicht.

Die Antiquarische Sammlung / Südwestjütländische Museen

Einer unserer wichtigsten Kooperationspartner sind die Südwestjütländischen Museen (ehem. "Die Antiquarische Sammlung"). Seit dem Start des Ribe VikingeCenters 1992 gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen. So fand etwa die Rekonstruktion der drei Wikingerszenarios von Ribe auf Grundlage der Ausgrabungen des Museums und mit fachlicher Unterstützung seiner Archäologen statt. Außerdem beraten diese uns nach wie vor mit ihrem historischen Wissen sowohl in Einzelfragen wie bei eher generellen Problemstellungen. Im Gegenzug kann das VikingeCenter praktische Erfahrungen aus Experimenten beitragen, z.B. im Gebrauch von Werkzeug und Hausrat, Abnutzung von Schuhen u. v. m. - auch haben wir eine Reihe von Rekonstruktionen für die Ausstellung im Museum "Ribes Wikingern" hergestellt: Bohlenwege, Kleider und verschiedene geschmiedete Gegenstände.

Neue Projekte

Das Ribe VikingeCenter plant laufend neue Projekte und Aktivitäten. Parallel zu den Rekonstruktionsarbeiten in den drei Wikingerszenarios wurden ein neuer, wunderschöner Eingangsbereich und ein historischer Spielplatz angelegt, in Zusammenarbeit mit dem Wikingerschiffmuseum Roskilde wurde das Wikingerschiff Gisla gebaut, und es wurden Kaianlagen und ein neuer Bogenschießplatz errichtet. Das Center erweitert ständig die Zahl der Aktivitätsangebote, bei denen das Publikum selbst mitmachen kann, und es wurde historisch korrekte Wikingerkleidung in Kindergrößen hergestellt, so dass unsere jüngsten Gäste sich noch besser in die Geschichte hineinversetzen können Außerdem wurden in Zusammenarbeit mit dem Schuldienst der Stadt Esbjerg Schulkurse für die 5. und 6. Klasse eingerichtet.

Das Ribe VikingeCenter gehört zu den Speerspitzen in den Bereichen Rekonstruktion und Vermittlung und befindet sich in einem ständigen Entwicklungsprozess - auch mit seinen Bemühungen, weiterhin ein interessanter und spannender Ort für einen Besuch zu sein... und das immer wieder!